Der britische Naturwissenschaftler Henry Cavendish (1731 - 1810) nutzte im Jahr 1797 eine Torsions- oder auch Drehwaage, um mit Hilfe des von Isaac Newton ein Jahrhundert zuvor formulierten Gravitationsgesetzes die gravitative Anziehung von vergleichsweise kleinen Massen im Labormaßstab zu messen. Ziel war, die Größe der Gravitationskonstanten zu ermitteln, welche zur Bestimmung der Massen von Himmelskörpern (auch der Masse und damit der mittleren Dichte der Erde) unverzichtbar ist.
Eine Torsionswaage ist ein Instrument, welches mittels der Verdrillung eines Metallfadens die Drehbewegung eines Probekörpers aufgrund des Wirkens einer sehr kleinen Kraft messbar macht. Sie wurde bereits einige Jahre vorher vom Geologen John Michell zu diesem Zwecke entworfen und schon 1785 von Charles Augustin de Coulomb zur Messung der elektrostatischen Wechselwirkung verwendet (die mathematisch ähnlich wie die Gravitation beschrieben werden kann, aber wesentlich stärker ist).
Eine moderne Gravitationsdrehwaage ist in der Abbildung rechts zu sehen. An einem Bronzefaden hängt eine Hantelstange mit zwei gleichen Kugeln der Masse $m$ und einem Spiegel in der Mitte der Stange. EIne Drehung der Hantel wird mittels eines Laserstrahls auf den Spiegel registriert. Wird der Faden verdrillt, dreht sich der Spiegel und lässt einen beweglichen Lichtpunkt über eine Reihe von Fototransistoren wandern. Die Position des Lichtpunkts kann mit einer Software ausgelesen werden. Die Anordnung der Fototransistoren ist am Detektor in der Abbildung rechts unten und im IBE zu erkennen.
Um auf die kleinen Kugeln der Hantel Gravitationskräfte auszuüben, können auf dem Schwenkarm unterhalb der Hantel zwei Kugeln der großen Masse $M$ platziert werden. Sie werden zwischen zwei Positionen jeweils bis zum Gehäuse der Apparatur bewegt, ohne es zu berühren. Die großen Kugeln liegen in der Abbildung rechts oben nicht in ihren Auflagen, um die Sicht auf die linke kleine Massen m freizugeben. Im IBE unten sieht man sie in den vorgesehenen Positionen.
Mit der Graviationsdrehwaage kann die Gravitationskonstante auf zwei unterschiedliche Arten bestimmt werden:
- Die Endausschlagsmethode, bei der die kleinen Kugeln am Bronzefaden nach Umschwenken der großen Kugeln eine Drehschwingung ausführen, deren zeitlicher Verlauf aufgezeichnet und ausgewertet wird. Dies ist im IBE auf dieser Seite qualitativ im Ansatz dargestellt. Die Nachteile sind eine lange und gegen Störungen empfindliche Versuchsdurchführung und die anspruchsvollere Herleitung der notwendigen Gleichungen.
- Bei der Beschleunigungsmethode wird lediglich die Anfangsphase der Drehschwingung genutzt. Dazu muss nach dem Auflegen der großen Kugeln erst einmal abgewartet werden, bis die kleinen Kugeln aus ihrer vorherigen Ruheposition bei unverdrilltem Faden die neue Ruheposition in der Nähe der großen Kugeln eingenommen haben. Danach legt man die großen Kugeln um, sodass die daraus folgende Bewegung aus dieser Ruhelage beobachtet wird. Diese Rotationsbewegung kann dann in ihrem Anfangsstadium als gleichmäßig beschleunigte Bewegung betrachtet und entsprechend ausgewertet werden. Auf dieser Exkurs-Seite ist eine solche Messung und Auswertung möglich. Nachteile sind eine mathematische Näherung sowie Ergebnisse auf der Basis von relativ wenigen Messwerten.
- Die Messaufnahme der Position $S$ des LASERs auf den Fotodioden kann durch Anklicken des Knopfes START über dem Diagramm links auf dem Monitor begonnen werden.
- Die Bewegung der kleinen Kugeln (und des Lichtzeigers) wird durch Umlegen der großen Kugeln gestartet. Dazu kann die (vordere) große Kugel durch "Anfassen" aus der linken Position in die rechte Position geschwenkt werden.
- Das Monitorbild kann durch Klick auf das Symbol rechts oben vergrößert werden.
- Auf der Rechtsachse wird die Realzeit angegeben, auf der Hochachse ist die Position des Lichtzeigers, wie er sich für die - sehr kleinen - Winkelausschläge am Spiegel des Torsionsfadens ergibt, aufgetragen.
- Mit der verschiebbaren roten Hilfslinie, die durch Anklicken des Knopfes HL in der Monitorvergrößerung angezeigt wird, können die Messwerte abgelesen werden.
Stellen Sie dar, wie nach Ermittlung der Gravitationskonstanten die Masse und die mittlere Dichte der Erde berechnet werden können (bei bekanntem Erdradius).
Zeigen Sie, dass die Gleichung für die Gewichtskraft $F_g=m\cdot g$ als Spezialfall aus dem Gravitationsgesetz ermittelt werden kann (Radius der Erde $r_\mathrm{E} = 6371\,\mathrm{km}$, Masse der Erde $m_\mathrm{E}=5,972\cdot 10^{24}\,\mathrm{kg}$, Fallbeschleunigung an der Erdoberfläche in Deutschland $g=9,81\,\frac{\mathrm{m}}{\mathrm{s^2}}$).
Berechnen Sie, ab welcher Höhe über dem Erdboden die Ergebnisse anhand der beiden Gleichungen um mehr als $5\,\%$ voneinander abweichen.
Das Newton'sche Gravitationsgesetz lässt sich in folgender Form angeben:
$$F_G=G\cdot\frac{M\cdot m}{r^2}$$
Dabei bezeichnen $F_G$ die Gravitationskraft, $G$ die Gravitationskonstante (Literaturwert $G=6,67430\cdot{10}^{-11}\,\mathrm{\frac{m^3}{kg\cdot s^2}}$, wobei die Konstante nur auf vier signifikante Stellen genau bestimmt ist - also in der hier verwendeten Einheit die dritte Nachkommastelle), $M$ und $m$ die beteiligten Massen und $r$ die Entfernung der Massenmittelpunkte.
Beschreiben Sie, welche Größen bekannt sein bzw. im Verlauf des Experiments nach der Beschleunigungsmethode gemessen werden müssen, um die Gravitationskonstante zu bestimmen. Berücksichtigen Sie dafür die vorhandene Messvorrichtung mit LASER und Fotodioden (bzw. die Art der Messwerte) und nutzen Sie die Grundgleichung der Mechanik.
Beschreiben Sie anhand der Messwerte, was nach dem Umlegen der großen Kugeln geschieht. Erläutern Sie den Effekt im Zusammenhang mit dem Gravitationsgesetz.
Die im Experiment verwendete Anordnung eines Spiegels und eines Lichtstrahls zur Messung eines kleinen Drehwinkels bezeichnet man auch als Lichtzeiger. Erläutern Sie die Funktionsweise und den besonderen Nutzen dieser Anordnung. Dieses Applet verdeutlicht den Vorgang.
Erläutern Sie, welche Bedingung bei der Bewegung der beiden kleinen Kugeln im Verlauf des Experiments erfüllt sein muss, damit sie als gleichmäßig beschleunigt angenommen werden kann.
Analysieren Sie, ob die Bewegung der Kugel ein Beweis für die Massenanziehung der Kugeln ist oder ob noch andere Effekte denkbar wären.
Erläutern Sie, welche Kräfte beim Umkehrpunkt der Bewegung der kleinen Kugeln wirken und wie groß sie im Verhältnis zueinander sind (auf dieser Exkursseite werden die Kräfte bzw. Drehmomente genauer dargestellt).
Erläutern Sie, was geschehen würde, wenn man in der Ausgangssituation die großen Kugeln entfernt.
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