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Exkurs: Physikalische Grundlagen der Klanganalyse

In der Musik versteht man unter dem Ton eines Musikintrumentes dasjenige, was man in der Physik unter einem Klang versteht:

Ein Ton in der Physik ist immer ein Sinuston, wie der Grundton oder jeder der Obertöne eines Klangs, den ein Musikintrument erzeugt - ein Klang ist also das Gemisch aus einzelnen zusammengehörenden Tönen.

Dieses Gemisch aus Grundton und den zugehörigen Obertönen wird in der Musik hingegen als Ton bezeichnet.
 

Mechanische Schwingungen und Resonanz bilden die physikalische Grundlage für das Verständnis der Klänge von Musikinstrumenten: Alle Musikinstrumente haben ihren individuellen Klang und sollen in der Lage sein, möglichst alle von ihnen produzierten Klänge auch gleich gut und hinreichend laut akustisch abzustrahlen. Am häufigsten kommen hier Luftsäulen (Blasinstrumente, Pfeifen, ...) und Saiten (Klavier, Streichinstrumente, ...) vor, die in geeigneter Form in Schwingungen versetzt werden.
Auf den folgenden Seiten sollen solche Schwingungen, zumeist exemplarisch anhand von schwingenden Klaviersaiten, untersucht werden, wobei immer wieder die auditive Wahrnehmung weiterer besonderer akustischer Phänomene mit einbezogen wird. Hier eine Übersicht:

Physikalische Grundlagen der Klanganalyse:
➡ Der Ton eines Musikinstruments und seine Obertöne
➡ Aufnahme und Analyse $s(t)$-Kurven schwingender Klaviersaiten
➡ Frequenzanalyse mittels Fourierspektren

Resonanz bei Klaviersaiten:
➡ Resonanzphänomene bei Klaviersaiten

Richtungslokalisation:
➡ Links-Rechts-Ortung
➡ Das Hören aus der Mitte (oben/unten und vorne/hinten mittels Fourier-Analyse)
➡ Kunstkopf-Stereophonie

Eine akustische Täuschung?
➡ Residualtöne: der kaum existente Grundton eines Konzertflügels

 


 

 

Es gibt nun - glücklicherweise - ein mathematisches Verfahren, das aus einem solchen Gemisch unterschiedlicher Frequenzen, wie es bei einem Klang eines Musikinstruments auftritt, die Frequenz und Amplitude des Grundtons und die Frequenzen und Amplituden der Obertöne errechnen kann: Dieses rechnerisch recht aufwändige Verfahren wird nach dem Mathematiker Jean Baptiste Joseph Fourier Fast Fourier-Transformation, FFT, genannt. Heutige Computer, so auch die modernen Smartphones mit entsprechenden installierten Apps, können in Echtzeit, also noch während der Klangproduktion, eine Fourier-Analyse durchführen und die zugehörigen Ergebnisse anzeigen (ein Beispiel sehen Sie weiter unten).

Phyphox enthält für die Durchführung einer Fourier-Analyse u. a. die App "Audio Spektrum" (2021), mit der Klänge aufgenommen und Fourier-Analysen in Echtzeit durchgeführt und aufgezeichnet werden können mit der Option, diese Daten auch in eine Tabellenkalkulation zur Weiterverarbeitung zu exportieren.

Die nachfolgende Abbildung zeigt einen Ausschnitt aus dem Zeitdiagramm der Aufnahme eines Klavierklangs über eine Zeitdauer von $Δt=0,05s$.
Bestimmen Sie anhand des nachfolgenden Diagramms die Frequenz des Grundtons des Klavierklangs und begründen Sie Ihr Vorgehen dabei. Vorsicht: Die Grundtonfrequenz beträgt nicht $f_0\approx 485 Hz$.

Lassen Sie sich beispielsweise mit Hilfe der in Phyphox integrierten App "Audio Oszilloskop" (2021) das zeitliche Verhalten von Klängen möglichst mehrerer Musikintrumente, insbesondere aber diejenigen eines Klaviers, Ihrer Stimme (Singen) oder anderer Geräusche, in Echtzeit anzeigen.
Achten Sie auch auf die Veränderungen der $s(t)$-Kurven während des Ausklingens der jeweiligen Klänge.
Hinweise:
Bevor Sie sich an die weiteren Aufgaben begeben, sollten Sie unbedingt ein wenig Erfahrungen sammeln mit dem Aussehen der zeitlichen Kurvenverläufe, die Sie mit Phyphox aufnehmen können.
Der Begriff "Ton" wird in der Musik anders definiert als in der Physik: Ein Ton in der Musik ist beispielsweise der (physikalische) Klang einer einzelnen Klaviersaite, während ein Ton in der Physik immer nur den (Sinus-) Ton der Grundschwingung meint.

Die beiden folgenden Diagramme (vergrößerbar) zeigen einen Flöten- und einen Klavierklang:

Das nebenstehende Diagramm zeigt die mit Phyphox aufge-
nommene Fourierspektrum eines Klaviertons
(zum Vergrößern anklicken).
Versuchen Sie, dieses Diagramm durch eigene Aufnahme der
Foruierspektren von Klaviertönen zu reproduzieren und
damit den hier gewählten Grundton zu bestimmen.
Hinweis: Sie werden für das Experiment sicher Zugang zu einem
Flügel in Ihrer Schule erhalten, wenn Ihnen ansonsten kein Klavier
zur Verfügung stehen sollte.

Beachten Sie, dass bei diesem relativ tiefen Ton bereits nicht mehr der Grundton die größte Amplitude aufweist.
Weitere Details dazu finden Sie auf dieser Seite.

 

Tipp

Versuchen Sie herauszufinden, um welchen Akkord es sich in folgendem Diagramm handelt, und begründen Sie Ihr Ergebnis. Um wieviele Klänge handelt es sich?

Bestimmen Sie, so gut es geht, anhand des Diagramms bestimmte (welche?) Frequenzen und schauen Sie in Tabellen nach, welche Töne der Tonleiter diesen Frequenzen zugeordnet sind.

Layer 1
Layer 1

Tatsächlich sind die zumeist völlig unregelmäßigen und recht kurzen Einschwingvorgänge die entscheidende Phase, die der klaren Unterscheidbarkeit von Musikinstrumenten dient. Schneidet man diese Phase aus einer Tonaufzeichnung heraus, klingen sehr viele Instrumente fast identisch.

Lassen Sie sich Fourier-Spektren der Klänge unterschiedlicher Musikinstrumente, Ihrer Stimme (SIngen) oder anderer Geräusche in Echtzeit anzeigen.
Beobachten Sie auch die zeitlichen Veränderungen im Amplitudenverhältnis während des Abklingens beispielsweise eines Klavierklangs (nur eine Taste anschlagen!).
Verifizieren Sie die o. g. Aussage zu den Frequenzen der Obertöne im Vergleich zur Grundtonfrequenz auch am nachfolgenden Beispiel des Klangs einer Taste auf dem Klavier.
 

Vorab zur Erläuterung: Eine (Klavier-) Saite ist - physikalisch gesehen - ein Oszillator, der gleichzeitig mehrere Schwingungen ausführen kann (was mit einem Fadenpendel oder Federpendel in dieser Form nicht zu erreichen ist). Eine solche in Schwingung versetzte Saite weist dabei dann eine Grundschwingung (Grundton, tiefste vorkommende Frequenz) und i. d. R. viele Oberschwingungen (Obertöne) auf, deren Frequenzen exakt ganzzahlige Vielfache der Grundfrequenz sind und deren Amplituden durchaus sehr unterschiedlich groß sein können.

Heutzutage stehen - sogar kostenlose - Apps für Smartphones zur Verfügung, mit denen man die Vielfalt solcher gleichzeitigen Schwingungen untersuchen und analysieren kann. Im akustischen Bereich ist dies besonders interessant, weil man die Klänge hört, die die Elektronik dann analysiert.

Es sei an dieser Stelle beispielsweise auf die kostenlose Software Phyphox der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen hingewiesen, die man sich online herunterladen kann. Phyphox enthält mehrere Apps u. a. für unterschiedliche akustische Fragestellungen, um beispielsweise das zeitliche Schwingungsverhalten von Klängen und deren strukturellen Aufbau im einfachen Realexperiment zu Hause untersuchen zu können.

Es wird dringend empfohlen, sich diese oder eine ähnliche Software auf das eigene Smartphone zu laden, denn ohne die Durchführung eigener Experimente sind die nachfolgenden Inhalte nur schwer zu verstehen bzw. nachzuvollziehen.


Zum Selbst-Ausprobieren: Nehmen Sie ein langes Seil, befestigen ein Ende an einem sicheren Haken und bewegen es am anderen Ende mit der Hand hinreichend schnell auf und ab: Dann können Sie einzelne solche Schwingungen wie die abgebildeten leicht erzeugen - aber versuchen Sie doch einmal, gleichzeitig zwei solcher Schwingungen (beispielsweise die Grundschwingung und die erste Oberschwingung) zu produzieren!

Beim Anschlagen einer (Klavier-) Saite führt diese ihre spezifische Grundschwingung und Oberschwingungen gleichzeitig bzw. überlagert aus, weil durch den sie anschlagenden Hammer ganz viele Schwingungsmöglich-keiten "angeboten" werden, aus denen dann nach Abklingen eines recht komplexen Einschwingvorgangs die von der Saite ausführbaren Schwingungen realisiert werden.

 

 

 

 

 

 

 

Das folgende IBE veranschaulicht diese unterschiedlichen Schwingungsmöglichkeiten: Seillänge und -spannung sind so gewählt, dass die Grundschwingung bei einer Frequenz von $f_0=5 Hz$ auftritt. Bei den einstellbaren Vielfachen dieser Grundfrequenz erkennt man, wie auf dem Seil sich stationäre Schwingungen ausbilden.

gespanntes Seil
Frequenzgenerator
festes Seilende
Lautsprecher-Schwingspule
für Auf- und Abbewegung des Seilendes
Layer 1
S
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