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Zum Umgang mit vektoriellen Größen in der Physik
Als vektorielle Größen werden in der Physik solche Größen bezeichnet, für die, anders als bei den rein skalaren Größen wie beispielsweise der Masse $m$, nicht allein die Angabe eines Betrages (incl. der Maßeinheit), sondern auch die Angabe einer Richtung im Raum bedeutsam ist. Eines der wohl bekanntesten Beispiele stellt die Kraft $\vec{F}$ dar, deren Richtung neben ihrem Betrag großen Einfluss nimmt auf die Wirkung.
Daher muss auch die Orientierung vektorieller Größen - kurz Vektoren genannt - in unserem dreidimensionalen Raum auf geeignete Weise angegeben werden: Dies geschieht durch die Angabe der drei Raumkoordinaten, die den Endpunkt $P$ eines vom Ursprung ausgehenden Vektors festlegen.
Den Vektor $\vec{u}$ kennzeichnet man durch die drei Raumkoordinaten $x_P$, $y_P$ und $z_P$ von $P$, man schreibt:
$ \vec{u} = \left( \begin{array}{c} u_x \\\ u_y \\\ u_z \end{array}\right) = \left( \begin{array}{c} x_P \\\ y_P \\\ z_P \end{array}\right) $.
Die Länge $\left\lvert \vec{u} \right\rvert$ kennzeichnet den Betrag eines Vektors, sie berechnet sich nach dem "räumlichen" Satz des Pythagoras zu: $\left\lvert \vec{u} \right\rvert = \sqrt{u_x^2+u_y^2+u_z^2 }$.
Im nachstehenden Diagramm kann die Position des Punktes $P$ im Raum und damit die Lage des zugehörigen Vektors $\vec{u}$ beliebig eingestellt werden.
Hinweis: Klicken auf $P$ schaltet zwischen horizontaler und vertikaler Verschiebbarkeit um.
Stellen Sie andere Positionen für den Punkt $P$ ein und prüfen Sie die angezeigten Koordinaten.
Blenden Sie auch den jeweils zugehörigen Vektor ein, der hier mit $\vec{u}$ bezeichnet ist.
Die drei Raumkoordinaten werden hier, wie üblich, untereinander notiert:
$\left( \begin{array}{c} x \\\ y \\\ z \end{array}\right)$
Bei der Darstellung in der Ebene findet man häufig die Notation, bei der die beiden Koordinaten nebeneinander geschrieben werden:
$(x,y)$
Gleichartige) Vektoren können zusammenwirken: Beispielsweise können zwei Kräfte $\vec{F_1}$ und $\vec{F_2}$ zeitgleich an einem Körper angreifen und zeigen dann eine Wirkung wie eine einzige Gesamtkraft $\vec{F_{ges}}$. Es ist naheliegend, dies als "Addition" zu bezeichnen, auch wenn man deutlich betonen muss, dass es sich dabei nicht um die Addtion von reellen Zahlen handelt, sondern vielmehr um eine "andersartige" Addition, die hier suggestiv mit ⊕ bezeichnet werde.
Allgemein legt man für diese Addition $\vec{u}$ und $\vec{v}$ als die Summe beider Vektoren fest:
$ \vec{u} ⊕ \vec{v} = \left( \begin{array}{c} u_x \\\ u_y \\\ u_z \end{array}\right) ⊕ \left( \begin{array}{c} v_x \\\ v_y \\\ v_z \end{array}\right) = \left( \begin{array}{c} {u_x+v_x} \\\ {u_y+v_y} \\\ {u_z+v_z} \end{array}\right) $.
Statt "⊕" wird zumeist das einfache "+"-Zeichen als Operator geschrieben.
In der folgenden Simulation sehen Sie die geometrische Veranschaulichung für die Addition von Vektoren: Sie können die Wirkung dieser Addition, die Sie an das früher bereits kennengelernte "Kräfteparallelogramm" erinnern sollte, ausprobieren: Die beiden Vektoren $\vec{u}$ und $\vec{v}$ können durch “Anfassen” ihrer Endpunkte A und B beliebig verändert werden. Danach startet die Animation die Ausführung der Summenbildung als Verschiebung des einen Vektors entlang des anderen.
Hinweis: Durch Anklicken der beiden Punkte A und B lässt sich die Verschieberichtung ändern: z-Richtung vs. Richtung innerhalb der x-y-Ebene.
Beschreiben Sie das Verfahren, mit dem eine Vektoraddition in ihrer geometrischen Darstellung durchzuführen ist.
Man kann auf unterschiedliche Weise eine Art "Multiplikation" von Vektoren festzulegen, die zwei Vektoren wieder einen Vektor zuordnet - ähnlich wie die Multiplikation zweier reller Zahlen diesen wieder eine reelle Zahl zuordnet und dabei die bekannten Rechenregeln beibehält. Unter mehreren denkbaren Möglichkeiten hat sich eine, das sog. Vektorprodukt, herausgestellt, die die meisten der von den reellen Zahlen bekannten üblichen Rechenregeln erfüllt und vor allem auch Bedeutung für die physikalische Beschreibung von Naturabläufen hat. Sie besteht in der folgenden, zunächst vielleicht ein wenig irritierend kompliziert erscheinenden Form.
Allgemein legt man diese Multiplikation ⊗ für zwei Vektoren $\vec{u}$ und $\vec{v}$ fest durch:
$ \vec{u} ⊗ \vec{v} = \left( \begin{array}{c} u_x \\\ u_y \\\ u_z \end{array}\right) ⊗ \left( \begin{array}{c} v_x \\\ v_y \\\ v_z \end{array}\right) = \left( \begin{array}{c} {u_y \cdot v_z - u_z \cdot v_y} \\\ {u_z \cdot v_x - u_x \cdot v_z} \\\ {u_x \cdot v_y - u_y \cdot v_x} \end{array}\right) $.
Statt "⊗" wird zumeist das "×"-Zeichen (Kreuz) als Operator geschrieben.
Beispiele für das Vektorprodukt aus der Physik sind:
► Der Zusammenhang zwischen der Bahngeschwindigkeit $\vec v$, Winkelgeschwindigkeit $\vec \omega$ und Radius $\vec r$ der Kreisbahn $\vec v=\vec\omega ×\vec r$.
► Das Drehmoment $\vec{M}$ , das sich anhand der Kraft $\vec{F}$ auf einen um einen Punkt drehbaren Körper ergibt, wenn diese im Abstand $\vec{r}$ vom Körper angreift und ggf. dessen Rotation verändert: $\vec{M} = \vec{r} × \vec{F}$.
► Der Drehimpuls $\vec{L}=\vec{r}\times\vec{p}$.
► Der Zusammenhang zwischen Drehmoment $\vec{M}$, Winkelgeschwindigkeit $\vec{\omega_s}$ und Drehimpuls $\vec{L}$: $\vec{M} = \vec{\omega_s} \times \vec{L}$.
► Die Lorentzkraft $\vec{F_L}$, die auf einen sich mit der Geschwindigkeit $\vec{v}$ in einem Magnetfeld der Stärke $\vec{B}$ bewegenden Körper mit der Ladung $q$ wirkt: $\vec{F_L} = q \cdot \vec{v} × \vec{B}$.
Der Betrag des Vektorprodukts wird entweder anhand der Länge des Ergebnisvektors berechnet, es kann aber auch gemäß der herleitbaren Gleichung $\left\lvert \vec{u} × \vec{v} \right\rvert = \left\lvert \vec{u} \right\rvert \cdot \left\lvert \vec{v} \right\rvert \cdot sin(∡(\vec{u},\vec{v})) $ ermittelt werden.
Der Einheitsvektor der z-Achse steht senkrecht auf der durch die beiden anderen Einheitsvektoren gegebenen x-y-Ebene. Ganz allgemein gilt: Der Vektor des Vektorprodukts zweier Vektoren steht immer senkrecht zu der von den beiden gegebenen Ebene. Diese Aussage lässt sich selbstverständlich auch ganz allgemein beweisen. Überprüfen können Sie sie aber wenigstens "optisch" mit Hilfe der nachfolgenden Simulation, die das Vektorprodukt gemäß der Definitionsgleichung errechnet.
Hinweis: Sollten Sie eine Anaglyphenbrille (red-cyan-Brille) zur Verfügung haben, ist die optische Überprüfung noch überzeugender - rufen Sie dazu die Originalseite durch Anklicken des orangenen "S"-Buttons unen rechts unter der Grafik auf.
Es seien $\vec{e_x}$ und $\vec{e_y}$ die Einheitsvektoren (Vektoren mit der Länge 1) auf der x- und y-Achse. Schreiben SIe beide Vektoren in Koordinatenschreibweise und zeigen Sie durch Nachrechnen - möglichst "im Kopf" - mit Hilfe der Definitionsgleichung, dass das Vektorprodukt dieser beiden Vektoren den Einheitsvektor $\vec{e_z}$ auf der z-Achse ergibt.
Hinweis
Lösung
Prüfen Sie durch Nachrechnen anhand selbst gewählter Beispiele folgende Gleichungen auf deren Richtigkeit:
► $ \vec{u} × \vec{v} = \vec{v} × \vec{u}$ (Kommutativgesetz?)
► $ \vec{u} × \left( \vec{v} × \vec{w}\right) = \left( \vec{u} × \vec{v}\right)× \vec{w} $ (Assoziativgesetz?)
► $ \vec{u} × \vec{u} = \vec{0}$ (Hinweis: statt $\vec{0}$ schreibt man einfach $0$)
Versuchen Sie, Ihre Ergebnisse allgemein zu beweisen.
Link zur Ansicht mit einer Anaglyphenbrille (rot-cyan):

Die folgende Simulation zeigt das Verfahren:
Vielfache eines Vektors $\vec{u}$ ergeben sich geometrisch als eine Streckung des Vektors in dessen Längsrichtung. Formal wird dies dargestellt durch die Gleichung:
$ \lambda \cdot \vec{u} = \lambda \cdot \left( \begin{array}{c} u_x \\\ u_y \\\ u_z \end{array}\right) $ = $\left( \begin{array}{c} \lambda \cdot u_x \\\ \lambda \cdot u_y \\\ \lambda \cdot u_z \end{array}\right) $ mit $\lambda ∈ ℝ$.
Zum Schluss soll noch darauf hingewiesen werden, dass man durch das sog. Skalarprodukt zwei Vektoren $\vec{u}$ und $\vec{v}$ eine reelle Zahl, also keinen Vektor, zuordnet durch die Vorschrift: $ \vec{u} ⊙ \vec{v} = u_x\cdot\ v_x + u_y\cdot v_y +u_z\cdot v_z$. Statt des Zeichens "⊙" wird zumeist das einfache Multiplikationszeichen "·" der reellen Zahlen verwendet.
Auch beim Skalarprodukt lässt sich der sich ergebende Wert berechnen über den Winkel zwischen $\vec{u}$ und $\vec{v}$:
Es ist $ \vec{u} ⊙ \vec{v} = \left\lvert \vec{u}\right\rvert \cdot \left\lvert \vec{v} \right\rvert \cdot cos(∡(\vec{u},\vec{v}))$.
Auch diese Verknüpfung bietet die Möglichkeit, physikalische Zusammenhänge in vereinfachter Form darstellen zu können, wie es beispielsweise bei der Definition der Arbeit $W$ geschieht: $W=\vec{F} · \vec{s}$. Beachte: Auch hier müsste statt des "$\cdot$" zwischen $\vec{F}$ und $\vec{s}$ genauer das Verknüpfungszeichen "⊙" stehen.
Man kann mit Mitteln der höheren Mathematik beweisen, dass sich lediglich für Zahlenpaare, aber nicht für Zahlentripel, Zahlenquadrupel etc., Verknüpfungen aufstellen lassen, die alle gleichzeitig den grundlegenden Rechengesetzmäßigkeiten Assoziativ-, Kommutativ- und Distributivgesetz der reellen Zahlen gehorchen.
Solche Zahlenpaare mit einer geeignet gewählten Vorschrift für die Addition und für die Multiplikation bilden die Menge ℂ der sog. komplexen Zahlen, sie ist mit zwei Dimensionen die größtmögliche Erweiterung der Menge der reellen Zahlen ℝ unter Beibehaltung der Gültigkeit aller o. g. Rechengesetze überhaupt:
- Addition: $(a,b) ⊕ (c,d) = (a+c,b+d)$
- Multiplikation: $(a,b) ⊙ (c,d)= (a \cdot c-b \cdot d,a \cdot d + b \cdot c)$.
Die reellen Zahlen kommen in den komplexen Zahlen als Teilmenge vor, es sind diejenigen Zahlenpaare mit einer 0 als zweiter Komponente, also beispielsweise $1_ℝ \equiv (1,0)_ℂ$.
Für dreidimensionale Vektoren als Zahlentripel kann man folglich keine Verknüpfungen ⊕ und ⊙ finden, die alle üblichen Rechenregeln gleichzeitig erfüllen.
Zur Übung:
Man kann die beiden komplexen Zahlen $(a,b)$ und $(c,d)$ auffassen als dreidimensionale Vektoren mit der z-Komponente 0, also als $\left( \begin{array}{c} a \\\ b \\\ 0 \end{array}\right)$ und $\left( \begin{array}{c} c \\\ d\\\ 0 \end{array}\right)$. Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem zugehörigen Vektorprodukt und dem Produkt gemäß der Definition der Multiplikation komplexer Zahlen?
Lösung:
